Birstein(Main-Kinzig-Kreis) - Schloss Birstein


Von der mittelalterlichen Burg zum - Renaissanceschloss, der barocken Schlossanlage und den Additionen des 19. Jahrhunderts

  

Leitung: C. Rohn, J. Jost, C. Winterstein
Mitarbeit: T. Bagci, K. Bender, C. Entstrasser, C. Piechaczek, L. Quambusch, E. Sehr, S. Sergi, A. Stock

 

Bauforschung im Schloß Birstein (Main-Kinzig Kreis). In Kooperation mit dem Landesdenkmalamtes Hessen und der Universität Bamberg; Teilfinanziert vom Landesdenkmalamt Hessen, DFG Antrag in Vorbereitung.

Das Fachgebiet für Baugeschichte, Bauforschung und Denkmalpflege der Hochschule RheinMain am Fachbereich Architektur und Bauingenieurwesen führte im Rahmen des Bachelorstudienganges Architektur die Lehrveranstaltung „Grundlagen der Denkmalpflege / Bauaufnahme“ ihre praktische Übung in zwei Semestern im Schloß Birstein (Main-Kinzig Kreis) durch. Im Sommersemester wurde in der Zeit vom 4. bis 8. April 2011 der Dachstuhl über dem dreiflügligen Hauptbau aufgenommen. An zwei Wochenenden im Juni 2011 wurden Teilbereiche im zweiten Hof aufgemessen und gezeichnet. Im Wintersemester wurden vom 17. bis 21. Oktober 2011 die Räume am Südende, der sog. Kutschenflügel, bearbeitet.

Diese praktische Übung im Rahmen der Architektenausbildung vermittelt Methoden der Gebäudevermessung und die notwendigen Grundlagen, um Bauwerke als historische Quelle zu erkennen, zu lesen und wertzuschätzen. Mit dem Erlernen praktischer Fertigkeiten ist außerdem das Ziel verbunden, einen Gebäudekomplex in seiner architektonischen Vielfalt vollständig zu erfassen und formgerecht in Grundrissen, Schnitten, Ansichten und Details zeichnerisch zu dokumentieren.

 

Schnitt durch den Kutschenflügel

 

Das ausgewählte Objekt für die Bauaufnahmeübung der oben genannten Semester war eine Schloßanlage, bestehend aus mehreren Gebäuden und Höfen, deren Kern bis ins 13. Jahrhundert. zurückgeht. Die Anlage setzt sich aus einem Hauptbau, einem vorgelagerten Hof mit Verwaltungsbauten und einem hinteren Teil, bestehend aus dem ehemaligen Kutschenflügel und einem Verbindungsbau, zusammen. Der nördliche Hof schließt sich an das Eingangstor an und empfängt den Besucher mit einem Barockgarten. Drei Flügelrahmen den Hof, welche die ehemalige Kanzlei, den Marstall und eine Schmiede beherbergten. Heute befinden sich hier das Forstamt und einzelne Wohnungen. Das Hauptgebäude setzt sich aus einer Vier- Flügel- Anlage zusammen, die schon in der Renaissance maßgeblich angelegt wurden. Der Nordflügel erfuhr bereits erhebliche Veränderungen in der Barockzeit und auch der Südflügel wurde im 19. Jahrhundert. verändert. Hier befanden und befinden sich heute noch die Privatgemächer der Familie von Isenburg, eines der ältesten Fürstengeschlechter Deutschlands. Die Familie lässt sich bis in das 10. Jahrhundert zurückverfolgen und hat die Kulturlandschaft Oberhessens bis heute maßgeblich geprägt. Der südliche Hof ist nur mit dem Kutschenfügel und einem Verbindungsbau umschlossen.
Er umfasst aber besonders im Südwesten noch Reste der mittelalterlichen Anlage, auf deren Grundmauern das Renaissanceschloß der Familie des Reichsfürsten von Isenburg im 16. Jahrhundert errichtet wurde. So zeigen die Mauern des südlichen Eckraums zahlreiche Spuren dieser Umbauten. Der Keller lässt sich aufgrund seiner Größe und Konstruktion dem Mittelalter zuweisen. Die Wände darüber folgen nicht dem Aufbau des Kellers, und besitzen alle eine unterschiedliche Konstruktion. Auch die Fußbodenniveaus und die Erschließung der einzelnen Räume sind sehr unterschiedlich, so dass hier erhebliche Bauaktivitäten
abzulesen sind. Nach der Jahreszahl 1554 im Türgewände des südlichen Eckraums folgend, stehen diese Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Umbau von der Burg zum Schloß. Dieser Umbau geschah offenbar nicht an einem Stück mit einem einheitlichen Planungskonzept, sondern in einzelnen Abschnitten mit einzelnen Ausbauideen, die erst später zu einem Gesamtensemble zusammengefasst wurden. Ob dies erst in der Barockzeit geschah oder noch im 16. Jahrhundert, werden weitere Bauforschungen klären.

 

Kutschenflügel, Grundriss Erdgeschoss

 

 

 
Studierende beim Handaufmaß    

 

 

 

Die Professorin bei der Erklärung des Handaufmaßes

 

 

Anhand der ersten Bauaufnahmen und der Geschichte des Schlosses wird deutlich, dass die Baugeschichte des Schlosses exemplarisch für einen jahrhundertelangen Entwicklungsprozess steht, der die Wandlung von der Wehrburg zum Wohnschloss beschreibt. Eine einheitliche Gesamtplanung hat es für die Schlossanlage nie gegeben. Vielmehr war sie zu jeder Zeit den Modernisierungs- und Erweiterungswünschen der jeweiligen Bewohner unterworfen. Als Höhenburg konzipiert, war Burg Birstein zunächst eine Festung mit klarem Wehrcharakter, die Wohnfunktion war deutlich untergeordnet. Im Laufe der Zeit wurde das Verteidigungssysteme an die fortschreitende Entwicklung in der Waffentechnik angepasst und stetig verändert. Gleichzeitig entstand im Inneren der Wehranlagen repräsentative, für Wohnzwecke genutzte Schlossbauten, die dann im 17. und 18. Jahrhundert zur herrschaftlichen Residenz ausgebaut wurden. Die Aufgabe der Verteidigungsfunktion zugunsten einer
repräsentativen Schlossanlage ist in Birstein besonders gut zu beobachten.

 

Herrenhaus, Grundriss Dachgeschoss